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Prof. Dr. Sabine Steins-Loeber (Universität Bamberg), Prof. Dr. Dr. Astrid Müller (Medizinische Hochschule Hannover)

 

 

Hintergrund: Adipositas ist eines der größten Gesundheitsprobleme in der westlichen Welt und hat in den letzten Jahrzehnten dramatisch zugenommen. Derzeit werden etwa 18% der deutschen Bevölkerung als adipös diagnostiziert ausgehend von einem Body Mass Index (BMI) ≥ 30. Leider ist die langfristige Wirksamkeit von Interventionen zur Gewichtsabnahme gering. Maßgeschneiderte Interventionen für spezielle Patient*innengruppen könnten eine Möglichkeit sein, die Wirksamkeit zu verbessern. Die Entwicklung solcher Interventionen erfordert ein besseres Verständnis der psychologischen Mechanismen, die zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Adipositas beitragen. In dieser Hinsicht sind zwei Erkrankungen im Zusammenhang mit Adipositas von besonderer Relevanz: Binge-Eating-Störung (BES) und „Food Addiction“ (FA). BES ist die häufigste psychische Störung, über die bei Adipositas berichtet wird. Sie ist gekennzeichnet durch häufige, wiederkehrende Episoden von Binge-Eating, bei denen die Person einen subjektiven Kontrollverlust über das Essen berichtet. Essen scheint dabei zunächst eine Erleichterung von negativen Gefühlen zu bieten, führt aber zu Scham und Leid. FA basiert auf der Annahme, dass bestimmte wohlschmeckende Lebensmittel (d.h. reich an Salz, Fett und raffinierten Kohlenhydraten) Reaktionsmuster auslösen können, die von Substanzkonsumstörungen bekannt sind, wie Verlangen („Heißhunger“), aber auch Kontrollverlust. Bei Patient*innen mit Adipositas und BES werden Prävalenzraten von FA von 57% beobachtet, was bedeutet, dass sich die Konstrukte nicht vollständig überschneiden. Derzeit besteht jedoch ein erheblicher Forschungsmangel, der Adipositas und FA sowie Adipositas und BES hinsichtlich zugrundeliegender psychischer Prozesse differenziert. Vor diesem Hintergrund ist das Ziel dieser Studie zu untersuchen, ob BES und FA zwei unterschiedliche, aber sich überschneidende Bedingungen in Bezug auf affektive und kognitive psychologische Prozesse sind, die zu Adipositas beitragen.

Methoden: Ein Studiendesign mit vier Gruppen („Adipositas+FA+BES“, „Adipositas+FA“, „Adipositas+BES“, „Adipositas“; insgesamt 360 Teilnehmende) wird implementiert. Die Diagnose von BES und FA basiert auf ICD-11-Kriterien, für FA werden die Kriterien der Substanzkonsumstörung für Lebensmittel angepasst; alle Gruppen werden nach Alter und Geschlecht gematcht. Einschlusskriterien sind BMI ≥ 30,0, Alter ≥ 18 und ≤ 65 Jahre sowie ausreichende Deutschkenntnisse. Die Studie umfasst eine dreistündige Testsitzung, sowie eine Nachuntersuchung nach sechs Monaten (um die Stabilität der Diagnosen zu untersuchen). Es werden experimentelle Aufgaben mit nahrungsbezogenen und neutralen Reizen und Fragebögen vorgegeben. Wir erwarten, dass eine FA-Diagnose u.a. mit stärkerem Verlangen auf nahrungsbezogene Reize und einer höheren erlebten Belohnung durch Essen verbunden ist, während BES mit höheren Defiziten in der Emotionsregulation verbunden ist und stärkeren Gefühlen der Kompensation durch Essen. Wir erwarten, dass Patient*innen mit Adipositas, FA und BES die größte Beeinträchtigung der nahrungsbezogenen Inhibitionskontrolle aufweisen.

Förderung: DFG

Projektlaufzeit: 2024 - 2027

Status: Pilotierung der diagnostischen und experimentellen Tools; Registrierung im OSF in Vorbereitung

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