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Timo Brockmeyer (Universität Göttingen und Universität Münster), Joanna Steinglass (Columbia University, New York)

 

Zusammenfassung: Anorexia Nervosa ist eine schwerwiegende psychische Störung, die primär durch massive Nahrungsrestriktion und daraus resultierendem Untergewicht gekennzeichnet ist. Die Krankheit verläuft meist chronisch und bringt schwerwiegende körperliche Folgeerscheinungen mit sich. Die Sterblichkeitsrate ist die höchste unter allen psychischen Störungen. Unabhängig vom Behandlungsverfahren sind die Erfolgsraten niedrig bis moderat, Therapieabbrüche und Rückfälle hingegen häufig. Einer der Gründe dafür ist darin zu sehen, dass noch immer relativ wenig über die Ätiologie und Aufrechterhaltung der Störung bekannt ist.

Kürzlich wurde jedoch ein neurobiologisch informiertes, mechanistisches Störungsmodell der Anorexia Nervosa entwickelt, demzufolge es sich bei vielen der problematischen Verhaltensweisen im Rahmen der Erkrankung um Verhaltensroutinen (Habits), d.h. um Verhalten handelt, welches nicht mehr zielgerichtet sondern inflexibel und automatisch abläuft, wenn es durch Hinweisreize provoziert wird. Solches Verhalten ist in der Regel von positiven und negativen Konsequenzen entkoppelt und somit selbstaufrechterhaltend. In Übereinstimmung damit konnte eine Bildgebungsstudie zeigen, dass nahrungsbezogene Entscheidungsfindung bei Patientinnen mit Anorexia Nervosa mit vermehrter Hirnaktivität im dorsalen Striatum (einer für habituelles Verhalten wichtigen Hirnregion) assoziiert ist. Diese Befunde wurden in eine neue psychologische Intervention übersetzt, die spezifisch ernährungsbezogene Verhaltensroutinen bei Anorexia Nervosa adressiert (REaCH).

In einer randomisiert-kontrollierten Pilotstudie mit 22 Patient*innen zeigte sich diese Intervention gegenüber einer aktiven Kontrollbedingung (Supportive Psychotherapie) überlegen hinsichtlich Reduktionen in ernährungsbezogenen Verhaltensroutinen, Essstörungssymptomatik und Kalorienaufnahme. Aufbauend auf diesen vielversprechenden vorläufigen Befunden verfolgt die aktuelle Studie das Ziel, zu klären, ob diese Intervention
tatsächlich die adressierten Mechanismen beeinflusst und von klinischem Nutzen ist. Es handelt sich um eine monozentrische, randomisiert-kontrollierte Überlegenheitsstudie mit zwei parallelen Armen (REaCH vs. Supportive Psychotherapie). Insgesamt nehmen 110 Patient*innen an der Studie teil, die zusätzlich zu stationärer Routinebehandlung eine der beiden genannten Interventionen erhalten. Den primären Endpunkt stellt die Gewichtszunahme über den Verlauf der Behandlung bis 6 Monate später dar. Sekundäre Endpunkte umfassen weitere klinische Parameter (selbstberichtete Essstörungssymptomatik), Surrogat-Parameter (Nahrungsmittelwahl) und Veränderungen in den durch die Intervention adressierten Mechanismen (Stärke von ernährungsbezogenen Verhaltensroutinen, Emotionsregulation). Die Studie soll neue Erkenntnisse mit direkten klinischen Implikationen sowie Relevanz für das Verständnis der Ätiologie und Aufrechterhaltung der AN liefern.

Förderung: DFG

Projektlaufzeit: 2021 - 2025

Status: Rekrutierung abgeschlossen

Registrierung im Deutschen Register Klinischer Studien (DRKS)

Publikationen:

Steinglass J, Glasofer DR, Walsh E, Guzman, G, Peterson CB, Walsh BT et al. (2018): Targeting habits in anorexia nervosa: a proof-of-concept randomized trial. In: Psychological Medicine 48 (15), S. 2584–2591. DOI: 10.1017/S003329171800020X.

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